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Sonntag, 24. Januar 2010

Schlafende Drachen

Unter diesem Blatt schlafen zweitausend Jahre
Inspiration.
Auf der Suche nach den Räubern, die meine Häuschen-Schnecken gefressen haben, dringe ich tiefer in den Lüftungsschacht vor. Es ist eng hier drinnen und ich muss meine Knie anziehen, damit ich überhaupt Platz habe. Nach einem Meter habe ich zum Glück bereits die hintere Wand des Schachts erreicht. Überall liegen leere Schneckenhäuser. Wo sind sie? Vor meinem rechten Fuss blitzt etwas unter einem Blatt hervor. Ein gelber Fleck. Ein intensiv gelber Fleck. Der Flecken eines Feuersalamanders. Ich habe die Räuber gefunden.
Feuersalamander sind mit Abstand die prächtigsten Amphibien, die es in der Schweiz gibt. Kein Frosch und kein Molch stellt seine Warnfarben so prominent zur Schau wie er. Sie sind so auffallend gezeichnet, dass man sie bei der ersten Begegnung für Besucher aus einem weit entfernten Regenwald halten könnte. Sie sehen aus, als seien sie aus einem Gemälde entwischt. Sie sind von einer Grazie, die...
Zusammen schläft es sich besser. Drei Feuersalamander
in der Ecke des Lüftungsschachts. Vielleicht wärmen sie
sich am Grasfrosch?
Feuersalamander beflügeln die Gedanken der Menschen. Offenbar haben sie mich bereits mit ihrer geheimnisvollen Aura infiziert. Aber ich bin nicht das erste Opfer. Aristoteles, der Vater der Biologie, schrieb in seiner «Geschichte der Tiere», dass der Salamander beim Durchschreiten eines Feuers dieses auslöschen könne. Mit fatalen Folgen für die Tiere, denn lange Zeit glaubten die Leute dem Gelehrten das Märchen und warfen bei einer Feuersbrunst lebende Salamander in die Flammen.
Ein paar Jahrhunderte Später vermuteten die Alchemisten des Mittelalters gar, dass sich aus den Amphibien Gold gewinnen liesse. Dazu setzten sie die Tiere in Schmelztiegel und heizten ihnen ein. Anschliessend träufelten sie Quecksilber auf die verkohlten Überreste. Das hat den Herren jedoch höchstens Kopfweh beschert, aber sicher kein Gold.
Sie verharren unbeweglich in Stellungen, die bei uns
Rückenschmerzen verursachen würden.
Ausgerechnet hier im Lüftungsschacht tauchen die Feuersalamander nun auf. Es sind drei Exemplare, die eng aneinander geschmiegt in einer Ecke verharren. Keine Bewegung kommt über ihren Körper. Offenbar halten sie ihren Winterschlaf. Dass sie freiwillig eingezogen sind, bezweifle ich. Vermutlich sind sie im Sommer oder Herbst über die Wiese des Gartens spaziert. Da der Schachtausgang direkt an das Gras anstösst, haben ihn die Tiere wohl einfach übersehen und sind plötzlich ein Stockwerk tiefer gefallen. Eine Katastrophe? Nein. Zumindest Futter haben sie genug. Der Nachschub kommt in Form von Schnecken in den Schacht hinab gekrochen. Die Salamander brauchen nur noch das Maul zu öffnen. Das erklärt die grosse Zahl an leeren Schneckenhäuser.

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